Donnerstag, 28. März 2024    20:05

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Es war einmal...eine streitbare Bürgerschaft
Arnis, die kleinste Stadt Deutschlands an der Schlei

Wenn man von begeisterten Schleibesuchern in den Gassen von Arnis die Worte aufschnappt „Das ist ja wirklich ein Kleinod“, ist das absolut richtig, die Betonung müsste aber auf dem Wort „klein“ liegen. Arnis ist nicht mal einen halben Quadratkilometer groß, hat so um die 300 Einwohner, lässt sich in gut 30 Minuten bequem zu Fuß umrunden und macht rundum den Eindruck eines beschaulichen Dörfleins. Aber man höre und staune: Arnis ist eine Stadt. Das passt so richtig in die außergewöhnliche Geschichte dieser Ansiedlung auf der kleinen Halbinsel in der Schlei.

Ihre Grundsteinlegung 1667 verdankt die kleinste Stadt Deutschlands einer Protestaktion: Als der Kappelner Gerichts- und Kirchenherr Detlef von Rumohr von den Einwohnern des Fleckens den Lehnseid verlangte, was einer Art Leibeigenschaft gleichkommt, waren 65 Familien nicht bereit, diesen zu leisten. Sie wurden aus Kappeln verbannt und zogen auf eine drei Kilometer entfernte Insel, rodeten die dichte Bewaldung und fingen mit der Bebauung an. Eines der ersten Gebäude war die Schifferkirche, heute das älteste Haus in Arnis. Von den damals errichteten Häusern sind nur noch einige im Urzustand vorhanden, vor allem das Haus Lange Straße 13, das aus dem Jahre 1712 stammt. Aber die „Neubauten“ wurden so gestaltet, dass das alte Ortsbild weitgehend erhalten blieb. Eine wesentliche Veränderung geschah 1796, da wurde ein Damm aufgeschüttet, der noch heute die Verbindung zum Festland herstellt.

Eine einzige Straße führt hinüber auf die Halbinsel, sie könnte man als Sackgasse bezeichnen, gäbe es nicht am hinteren Ende und Schleiufer die kleine Motorfähre, die über die 250 Meter breite Meeresarmenge nach Schwansen im Landkreis Rendsburg-Eckernförde führt. Sie fährt nur im Sommer (März bis November), dann geht sie in den Winterschlaf.

Dank der guten Lage und der Tatkraft seiner Bürger entwickelte sich Arnis zu einem kleinen Handelszentrum, erreichte Mitte des 19. Jahrhunderts seine Hochblüte mit über 1000 Einwohnern und einer Flotte von 88 Schiffen. Damals waren das mehr Schiffe als in Eckernförde oder Flensburg, in Arnis wurden auch Schiffe für Kaufleute in Hamburg uns Bremen gebaut. Von dieser Blütezeit zeugen heute noch reich verzierte Grabsteine der Kapitänsfamilien auf dem Arnisser Friedhof.

Arnis hatte damals den Status eines „Fleckens“ mit eingeschränkter Selbstverwaltung. Dann aber, 1934, kam die Würdigung mit dem Stadtrecht. Als Grund für diese ungewöhnlichen Ehrung wurde vom preußischen Innenministerium angeführt „weil der Ort durch die bauliche Struktur und die von Werften und Tourismus bestimmten Wirtschaft städtische Eigenschaften aufweist“.

Die Stadtrechte sind bis heute geblieben, es gibt noch einige Werften in und um Arnis, eine große Segel- und Sportschiffer-Marina und in zahlreichen Ferienwohnungen blüht auch der Tourismus nach wie vor. Nur ein Hotel gibt es nicht, dafür sechs Cafés und Gasthöfe, die für das leibliche Wohl sorgen. Besucher dürfen aber nicht in der Stadt parken, sie stellen ihren Wagen am besten auf dem Parkplatz vor der Halbinsel ab. Und wenn eine Stadtumrundung nur eine halbe Stunde dauert, kann die einfache Strecke maximal eine Viertelstunde in Kauf nehmen. Bei einem Streifzug durch die Gassen hat man so genug Zeit, sich Kirche, Rathaus und die einzelnen Häuser genau anzusehen − ein Bummel wie durch ein Freilichtmuseum. Viel Zeit verbringen hier auch die Angler, die Angelscheine sind hoch begehrt.

Wie überall in unserem Land ging es auch in Arnis auf und ab, nur eines zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte dieses ungewöhnlichen Städtchens: Der Stolz und die Streitlust seiner Bürger, die sich nicht einfach alles gefallen liessen. Erst 2009 zogen sie im sogenannten „Pappelstreit“ wieder gegen die Obrigkeit zu Felde, um die Pappeln entlang des Wanderwegs an den „Noorwiesen“ zu retten. Arnis ist eben ein ganz besonderes Pflaster... Text: Peter Mathy